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6. Oktober 2025 12 Minuten

Alle warten auf den Ruck

Liebe Leserin, lieber Leser,

zuerst herzlich willkommen im 36. Jahr der deutschen Einheit!

Alle Jahre wieder ist der 3. Oktober Anlass für mehr oder weniger sinnvolle Bestandsaufnahmen zum Stand der deutschen Einheit und natürlich auch für den Versuch, den Tag mit politischem Spin aufzuladen. Dieses Mal ging es dazu nach Saarbrücken, das gemäß Bundesratsvorsitz die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit (Mitschnitt) ausrichtete.

  • Die Rede des Kanzlers war mit Spannung erwartet worden. Table.Briefings mit einer Kurzanalyse, ob es wirklich die “Ruck Rede 2.0” war, können Sie selbst hier prüfen.
  • Der Tagesspiegel findet hingegen, dass der französische Präsident die beste Rede des Tages hielt. Wenn Sie Macron mit französischem Akzent auf Deutsch hören wollen, können Sie das hier. Sie werden nicht enttäuscht sein.
  • Angela Merkel hätte statt Macron aber lieber jemand anderen als Gastredner gesehen.

  • Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner war dabei und sorgte durch ihre Begleitung für Aufmerksamkeit.

Die originale Ruck-Rede hielt übrigens der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog 1997. Einer seiner Nachfolger, Frank-Walter Steinmeier, versuchte Ähnliches in seiner “Leipziger Rede” von 2024. Seine Diagnose, man könne “dieses Land nur mit gebrochenem Herzen lieben” ist noch ein paar Jahre älter. Von Merkels “Wir schaffen das” bis hin zur Scholz’schen Zeitenwende zeigt sich aber auch: Die zentralen politischen Signale geschehen selten geplant, sondern meist aus der Situation und der Betroffenheit heraus.

Die gesellschaftliche Realität sieht 35 Jahre nach der Wiedervereinigung weitaus unglamouröser aus. So empfinden viele Ostdeutsche sich politisch nicht ausreichend vertreten (siehe Grafik), sehen ihren Lebensstandard dem westdeutschen unterlegen und ihre Perspektiven in gesamtgesellschaftlichen Konfliktthemen ungehört.

  • Die wichtigsten Erkenntnisse des Tagesspiegel-Einheitsmonitors gibt es hier.

  • Der Bericht zum Stand der Deutschen Einheit der Ostbeauftragten Elisabeth Kaiser richtet den Blick bewusst auf die junge Generation.

  • Auch der rbb hat die Gen Z vor die Kamera geholt und zu Ost und West befragt.

  • Die Entwicklung der letzten 35 Jahre hat ntv in Infografiken zusammengefasst.

  • Können sich Ost und West eigentlich leiden? Das große Sympathie-Ranking der Bundesländer hier (€) zum Selbsttesten. Spoiler: Berlin schneidet nicht gut ab.

  • Und die Repräsentation im Supermarktregal? Diese Ost-Produkte sind heute noch Bestseller.

Ein Ruck sollte auch aus der Kabinettsklausur hervorgehen. Ob die Ergebnisse das hergeben, ist eher zweifelhaft, wie die Tagesschau analysiert. Eine Modernisierungsagenda mit mehr als 80 Maßnahmen soll den Staat nun aber (wirklich) zukunftsfähig machen (Zusammenfassung und Minister-Brief). Verkehrsminister Patrick Schnieder musste früher abreisen, weil er einen Kreislaufzusammenbruch erlitt und sagte vorerst weitere Termine ab.

  • Seinen heimischen Erholungsort in der Eifel stellt (€) der Trierische Volksfreund vor.

  • Die bewegte Geschichte des Tagungsortes porträtiert die Berliner Morgenpost.

  • Auch Caren Miosga fragte nach dem Ruck. Im Interview stand der Bundeskanzler gestern Abend Rede und Antwort zu Drohnen, Reformen und seinen Emotionen (TV-Kritik und Mitschnitt).

Auch die Stichwahlen in NRW ziehen noch etwas Dynamik nach sich. Nach einer Wahlpanne in Mülheim an der Ruhr ist der Sieg der SPD-Kandidatin Nadia Khalaf hinfällig. Nun wird neu ausgezählt. Die Stadt hat eine gewisse Tradition mit Wahlpannen: Schon 1999 gab es dort einen folgenschweren Fehler. In Siegen kommt es nach dem knappen Stichwahlergebnis zu keiner Neuauszählung: Mit sieben Stimmen Vorsprung wird der erst 28-jährige Tristan Vitt neuer Bürgermeister. In Datteln wird das Wahlergebnis hingegen revidiert: Der SPD-Amtsinhaber André Dora bleibt doch im Rathaus.

Politiker (ob gewählt oder nicht) müssen oft mit Ablehnung oder Verachtung leben. Aber was denken die eigentlich über ihre Wähler? Dem ist Die Zeit in einer lesenswerten Analyse einer Studie nachgegangen (€).

Im Rest der Welt ist auch einiges passiert: Der Gaza-Friedensplan stimmt vorsichtig optimistisch, Syrien wählt zum ersten Mal nach Assad (teilweise) demokratisch, Georgien erlebt nach wahrscheinlich nicht ganz demokratischen Kommunalwahlen massive Proteste, Frankreich stolpert nur wenige Stunden nach der Vorstellung einer neuen Regierung in die nächste Krise, nachdem Premierminister Sébastien Lecornu zurückgetreten ist, Tschechien bekommt einen neuen Premierminister und die USA viel Streit um den Einsatz der Nationalgarde.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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