Weißer Rauch über dem Adenauer-Haus

Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn unzählige Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, kann es nicht unpolitisch bleiben. Auch nicht, wenn der Anlass eine Beerdigung ist.
Auf dem Petersplatz in Rom kam am Samstag zum Abschied von Papst Franziskus eine Art in Schwarz gekleidete UN-Vollversammlung zusammen. US-Präsident Donald Trump nutzte die Beerdigung gar für seine erste Auslandsreise der zweiten Amtszeit. Auch Frankreichs Emmanuel Macron, EU- Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der (mit Franziskus nicht gerade befreundete) argentinische Präsident Javier Milei haben sich unter die Trauergemeinde gemischt. Die deutsche Delegation bestand u.a. aus Bundespräsident Steinmeier, Noch-Bundeskanzler Scholz und Bundestagspräsidentin Klöckner. Die ganze protokollarische Reihenfolge bis hin zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts kennt der SPIEGEL. Markus Söder war natürlich auch ohne hohes Staatsamt mit dabei.
Wladimir Putin blieb der Zeremonie hingegen fern – wenig überraschend, da gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt. Als Gesandte Moskaus war stattdessen die russische Kulturministerin vor Ort. Auch China schickt traditionell niemanden nach Rom, weil der Vatikan diplomatisch Taiwan anerkennt.
Für realpolitischen Impact sorgten Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj am Rande der Trauerfeier: Erstmals seit einem Eklat im Weißen Haus kamen die beiden persönlich zusammen und sorgen nicht nur für einen Topfavoriten für das politische Foto des Jahres. Die 15 Minuten unter vier Augen hatten diesmal ein besseres Ende für den Ukrainer: Schon auf der Rückreise kritisiert Trump Putin ungewöhnlich stark.
- Warum Macron unmittelbar vor dem Treffen dabei für Aufregung und Spekulationen um das französisch-amerikanische Verhältnis gesorgt hat, weiß der Merkur.
- Eine küchenpsychologische Ferndiagnose wagt ein BlueSky-Nutzer.
- Weitere bemerkenswerte Momente rund um die Papst-Trauerfeier finden Sie hier.
- Die emotionalen Bilder der Papst-Beerdigung hat die FR zusammengestellt.
- Selenskyj sorgte für einen Gänsehaut-Moment, als er von den Anwesenden mit Applaus begrüßt wurde.
- Das Beerdigungsselfie von Steinmeier und Söder kam hingegen nicht nur bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann nicht so gut an.
- Die Botschaft des Papstes zu seinen Lebzeiten bleibt jedoch bei der Politprominenz unbeachtet, beklagt (€) Dunja Ramadan.
Auch in Berlin herrscht Sedisvakanz, weswegen sich Friedrich Merz entschuldigen ließ: Die Vorbereitungen des kleinen Parteitags, der soeben den Koalitionsvertrag angenommen hat und vor allem die Besetzung der sieben CDU-Ministerposten (Übersicht) hatten Vorrang:
- Überraschung 1: Der bisherige Manager (Ceconomy / MediaMarktSaturn) Karsten Wildberger wird Digitalminister.
- Überraschung 2: Patrick Schnieder, bisher parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, wird Verkehrsminister.
- Überraschung 3: Die Generalsekretärin der CDU in Baden-Württemberg, Nina Warken, wird Gesundheitsministerin.
- Überraschung 4: Der ehemalige “Focus”- und “Welt”-Chefredakteur Wolfram Weimer soll Claudia Roth als Kulturstaatsminister beerben.
- Dass Johann Wadephul der erste CDU-Außenminister seit fast 60 Jahren wird, pfiffen die Berliner Spatzen schon ein paar Tage länger von den Dächern des Regierungsviertels.
- Katherina Reiche feiert ihr politisches Comeback als Wirtschaftsministerin.
- Karin Prien sorgt als neue Bildungsministerin für liberalkonservatives Profil und bringt Regierungserfahrung aus der Kieler Landesregierung mit.
- Jens Spahn soll, wie schon in der vergangenen Woche angedeutet wurde, Unions-Fraktionsvorsitzender werden.
- Markus Söder schickt Dorothee Bär (Forschung, Technologie und Raumfahrt), Alexander Dobrindt (Innen) und Alois Rainer (Landwirtschaft) als CSU-Kabinettsmitglieder nach Berlin.
- Weitere Staatssekretär:innen und -minister:innen sind Silvia Breher (Landwirtschaft), Matthias Hauer (Forschung, Raumfahrt), Gitta Connemann und Stefan Rouenhoff (Wirtschaft), Philipp Amthor und Thomas Jarzombek (Digitales und Staatsmodernisierung), Christoph de Vries und Daniela Ludwig (Innen), Christian Hirte und Ulrich Lange (Verkehr), Mareike Wulf und Michael Brand (Bildung/Jugend) sowie Georg Kippels und Tino Sorge (Gesundheit) Christiane Schenderlein (Staatsministerin für Ehrenamt und Sport im Kanzleramt), Michael Meister (Staatsminister für Bund-Länder-Zusammenarbeit), Serap Güler und Florian Hahn (beide Staatsminister im Auswärtigen Amt), Gunther Krichbaum (Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt), Katrin Steffler (Beauftragte für Pflege) sowie Bernd Fabritius (Beauftragter für Aussiedler und Vertriebene).
- Innerparteiliche Kritik kam schon aus dem Landesverband Niedersachsen und dem CDA-Flügel.
- Von Grünen und Linken („Wald- und Wiesen-Minister„) ebenso.
- Und wenn Sie gerade schon in Stimmung für Personalien sind: Wer soll neue Bundespräsidentin werden?
Auf die sieben SPD-Minister:innen müssen wir noch etwas warten. Erst wenn die Genoss:innen ihr Mitgliedervotum beendet haben, gibt es die Namen. Morgen Abend läuft die Frist aus, am Mittwoch soll unter notarieller Aufsicht ausgezählt und das Ergebnis bekannt gegeben werden. Auch wenn die Jusos rebellieren, das SPD-Klimanetzwerk sich gegen den Koalitionsvertrag ausspricht und der Berliner Staatssekretär Aziz Bozkurt gar von einer “Alibi-Abstimmung” spricht: Die Zeichen stehen auf Zustimmung. Zumindest das Quorum von 20 % ist schon mal erreicht.
- Von der grummelnden Basis berichtet der SPIEGEL.
- Auch gegen Saskia Esken richtet sich viel Unmut. Vor der SPD-Vorsitzwahl im Juni ist ihre politische Zukunft ungewiss.
- Olaf Scholz wird sich als einfacher Abgeordneter im Bundestag wiederfinden. Die FAZ hat sich seine Altkanzler-Vorgänger angeschaut.
- Besser sieht es für die SPD in Hamburg aus. Die hat am Wochenende den rot-grünen Koalitionsvertrag angenommen, die Grünen folgen heute.
Weder in Hamburg noch im Bund hat es das BSW ins Parlament geschafft. Nun hat die Partei zum (vor)letzten Mittel gegriffen und eine Neuauszählung der Bundestagswahl beantragt. Auch viele andere Wahlprüfungsbeschwerden gingen zum Fristende ein, u. a. wegen fehlender Geschlechterparität. Währenddessen hat der interne Machtkampf zwischen Sahra Wagenknecht und Thüringen-Chefin Katja Wolf mit einer Schlappe für die Parteigründerin einen neuen Höhepunkt erreicht: Wolf wurde am Wochenende gegen den Willen von Wagenknecht mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt. Der MDR über die “unverwüstliche” Finanzministerin des Freistaats.
Wolf muss sich anders als einige Ampel-Minister:innen also vorerst keine Gedanken um einen neuen Job machen. Wie die Chancen des Ampel-Kabinetts auf dem Arbeitsmarkt stehen, hat ein Headhunter schon mal bewertet: Lindner und Habeck schneiden dabei am besten ab. Sollte es mit der weiteren Verwendung nicht direkt klappen, kann den Ex-Minister:innen ein Übergangsgeld helfen (theoretisch bis zu 243.000 €). Doch der Steuerzahlerbund fordert, dieses drastisch zu kürzen. Einen Überblick der zustehenden Bezüge und Sonderregelungen, von denen die Ex-Ampel profitiert, hat ntv.
Beruflich neu musste sich auch Ex-SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert orientieren. Dieser berichtete (€) nun über die Gründe seines Ausstiegs und gab Einblick in sein Privatleben – z. B. dass sein Freund ein FDP-Parteibuch besitzt. Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat weniger erfreuliche private News: Er muss die nunmehr dritte Trennung von Bettina verkraften. Vielleicht kann Gregor Gysi Tipps geben, er hat sich mit dem Politiker-Leben als Single in der Generation eines Alterspräsidenten gut arrangiert. Seine Parteifreundin und TikTok-Star Heidi Reichinnek gab derweil zwar keine Auskunft über ihren Beziehungsstatus, aber erklärte den Hintergrund ihrer Tattoos.
Mit den besten Grüßen zum Start einer kurzen Woche
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Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.