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10. Dezember 2025 5 Minuten

The X-Fines

Ein Meilenstein für die Big Tech-Regulierung – und für die EU-US-Beziehungen.

Mit der Verhängung eines 120-Millionen-Euro-Bußgeldes gegen X spricht die EU erstmals eine Strafe im Rahmen des Digital Services Act gegen eine große Social-Media-Plattform aus. Die drei Begründungen: das irreführende System der “Blauen Haken”, die fehlende Transparenz bei Werbung und der fehlende Datenzugang für die Wissenschaft.

Reaktionen aus den USA und Zensurvorwürfe ließen erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten: Elon Musk forderte – mit freundlicher Unterstützung von Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew – direkt die Abschaffung der EU. Eine erste konkrete Konsequenz gab es auch bereits: Der EU-Kommission wurde auf X das Schalten von Anzeigen verboten. US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete die Strafe als “Angriff auf Amerika”, der republikanische Senator Ted Cruz forderte Sanktionen gegen die EU und Präsident Trump warnte, die EU müsse “sehr vorsichtig sein”.

  • Dass es bei den EU-Maßnahmen nicht um Meinungsfreiheit oder Zensur geht, erläutert Tech Policy Press.
  • Noch lässt sich die EU nicht einschüchtern und geht weiter gegen große Tech-Konzerne vor: Während mit TikTok eine Einigung zu Transparenzverbesserungen erzielt werden konnte, wurden gestern Ermittlungen gegen Google wegen der rechtswidrigen Nutzung von Online-Inhalten für ihre KI-Anwendungen eingeleitet.
  • Und auch die EU-Mitgliedstaaten sind nicht untätig, wie die irischen Ermittlungen gegen TikTok und LinkedIn aufgrund möglicher DSA-Verstöße zeigen.
  • Eine Einordnung und einen Aufruf, beim DSA nun standhaft zu bleiben, gibt es beim Social Media Watchblog.

  • In Reaktion auf die Entwicklungen fordert ein breites Bündnis von Prominenten und NGOs die Bundesregierung zum Verlassen von X auf.

  • Was für diesen Schritt spricht, hat das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie in einem FAQ aufbereitet.

Auch in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA geht es um die vermeintliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa. Die Trump-Administration zeigt mit dem Papier nun auch ganz schriftlich und offiziell, was sie von den Europäern hält – und dass sich Europa nun nicht mehr nur vor russischer Einmischung und Propagandaattacken schützen muss. Die Strategie beschreibt Europa als Kontinent “im Niedergang” und warnt vor einer “zivilisatorischen Auslöschung”. Eine Rhetorik, die doch sehr stark an die Verschwörungserzählung des “Großen Austausches” erinnert. In Reaktion auf diesen vermeintlichen Niedergang sollen nun auch konkret euroskeptische Parteien unterstützt werden. Im Kreml freut man sich wenig überraschend über eine Strategie “weitgehend in Übereinstimmung mit unserer Vision”.

  • Die eigenen Angriffe auf die Meinungsfreiheit gehen in den USA währenddessen weiter: Nicht nur sollen Touristen bei der Einreise nun Social-Media-Aktivitäten preisgeben müssen, geplant ist wohl auch ein Visumsverbot für Personen, die nach der Definition der Regierung die Meinungsfreiheit der US-Bürger:innen beschneiden wollen. Das könnte insbesondere Faktenchecker und Content-Moderatoren betreffen.

  • Seine Vorwürfe gegen Europa und die Bereitschaft, sich auch in europäische Wahlen zugunsten “geeigneter Kandidaten” einzumischen, hat Trump in einem Interview mit Politico verstärkt.

  • Vor solch einer Entwicklung warnt nun auch der Verfassungsschutz: Präsident Sinan Selen sieht nicht mehr nur eine Gefahr durch russische Desinformation bei den Landtagswahlen 2026, sondern warnt auch vor US-Einmischungen (€) in Wahlen in Europa.

  • Bei der AfD dürfte man sich freuen. Diese Woche wirbt eine Delegation der Partei bei einem Besuch in Washington und New York um weitere Unterstützung durch die Trump-Administration, wie der Spiegel analysiert (€).

In Deutschland selbst treibt die Partei die Debatte um Sprache und Beeinflussung ebenfalls voran und fragt nun in einer kuriosen Kleinen Anfrage nach der Verwendung des Ausdrucks “unsere Demokratie“ als “Parole” durch die Bundesregierung.


Dieser Text ist zuerst im wöchentlichen Desinfo-Briefing als Editorial erschienen. Wenn Sie das Briefing mit den neuesten Hintergründen und Analysen rund ums Thema Desinformation erhalten wollen, abonnieren Sie sich gerne hier an.

Autor:in

Foto von Hannah Schimmele

Hannah Schimmele

Projektmanagerin

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