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13. November 2025 6 Minuten

Schutzschildchen für die Demokratie

Schutz der Integrität des Informationsraumes, Stärkung von Institutionen, Wahlen und Medien sowie Förderung gesellschaftlicher Resilienz.

Das sind die Eckpunkte des heute von der EU-Kommission veröffentlichten “European Democracy Shield”, der auf eine Stärkung der Demokratie von innen heraus abzielt und die Bevölkerung gegen ausländische Informationsmanipulationen und andere hybride Bedrohungen schützen soll. Konkret möchte die Kommission dafür ein “European Centre for Democratic Resilience” einrichten, das als Ort für Informationsaustausch und Koordinierung dienen und das Lagebewusstsein und die Reaktionsfähigkeit der EU-Staaten und -Institutionen stärken soll. Auch eine “Strategie für die Zivilgesellschaft” wurde in diesem Kontext heute vorgestellt.

In der Theorie sind das richtige, wichtige und dringend überfällige Schritte. In der Praxis gilt jedoch auch: Die Teilnahme von Mitgliedstaaten soll lediglich im Rahmen einer “freiwilligen Selbstverpflichtung” erfolgen, die Finanzierung steht noch nicht und auch der Zeitplan für die Umsetzung der angedachten Maßnahmen klingt eher vage. Hier braucht es nun konkrete nächste Schritte und vor allem schnelle Ergebnisse, um eine wirksame Abschreckung gegenüber antidemokratischen Aggressoren zu ermöglichen und nicht nur einen neuen zahnlosen Tiger zu schaffen.

  • Die zentralen Punkte des heute verkündeten Maßnahmenkatalogs hat Euractiv zusammengefasst, die Kommission selbst bietet ein Factsheet.
  • Warum der Schild für den Erhalt der Demokratie so wichtig ist und nun dringend liefern muss, schreibt Omri Preiss von Alliance4Europe.
  • Eine erste Stellungnahme gibt es vom European Fact-Checking Standards Network.
  • Auch EVP-Chef Manfred Weber machte sich in der jährlichen Europa-Rede bei der Konrad-Adenauer-Stiftung für transparentere und stärker regulierte soziale Medien stark und nannte diese “im Kern demokratiefeindlich”.

Um Demokratiefeindlichkeit ging es dieser Tage auch im Bundestag. Im Fokus: die Russlandbeziehungen der AfD. Einerseits gab es viel Diskussion um verschiedene geplante (und dann doch wieder abgesagte bzw. untersagte) Reisen nach Russland. Andererseits macht man sich insbesondere Sorgen um die Auswirkungen des Verhältnisses auf Deutschlands Sicherheitsinteressen, wie vergangene Woche in einer Aktuellen Stunde diskutiert wurde. Unter anderem geht es um den Vorwurf, dass die Partei systematisch parlamentarische Anfragen nutzen könnte, um für Russland interessante, sicherheitsrelevante Informationen zu sammeln. Dafür gibt es bislang keine Belege, zumindest Parteichefin Alice Weidel sieht sich nun jedoch mit Blick auf die Reisepläne zu einer ersten öffentlichen Abgrenzung veranlasst.

  • CDU-Außenpolitiker Röttgen warf dem AfD-Abgeordneten Frohnmaier bei Maischberger “beste Propaganda, die Putin sich wünschen kann” vor. CDU-Parteikollege Kiesewetter sieht nach Tino Chrupallas Lanz-Auftritt ein “russisches, trojanisches Pferd” in dem AfD-Chef.
  • Die AfD thematisiert nun – wieder in einer Kleinen Anfrage – den „Verdacht der Spionage” via ebensolcher Anfragen.
  • Ebenso setzt die Partei auf einen Gegenangriff auf die Zivilgesellschaft: Sie will nun die Finanzierung der Amadeu Antonio Stiftung aus Bundesmitteln stoppen und hat dafür einen Antrag eingebracht, der heute Abend noch im Plenum diskutiert werden soll.
  • Auch darüber hinaus war Desinformation heute Thema im Bundestag: Am Mittag fand im Menschenrechtsausschuss eine Anhörung mit Sachverständigen zu Desinformation durch autokratische Staaten statt.

Das ist auch ein Schwerpunkt auf der Weltklimakonferenz, die von dem COP30-Gastgeber, Brasiliens Präsident Lula da Silva, als “Konferenz der Wahrheit” geframed wird. In seiner Auftaktrede rückt er die Bemühungen gegen Klimadesinformation in den Mittelpunkt und sagt Klimawandelleugnern den Kampf an. Damit sendet er auch eine deutliche Nachricht an die US-Regierung, die dieses Mal nicht einmal eine Delegation zur COP geschickt hat. Wie weit verbreitet Desinformation zum Klimawandel weltweit ist, machten im Vorfeld mehrere Forschungsberichte deutlich:

  • Die Organisation “Climate Action Against Disinformation” analysiert den Anstieg von Klimadesinformation im Gastgeberland.
  • Eine europäische Recherchekooperation identifiziert mehrere Trends im Diskurs – von Klimawandelleugnung über Delegitimierung von Klimaschutzmaßnahmen bis hin zu “Klima-Diktatur”-Narrativen.
  • Auch im deutschsprachigen Raum beobachten wir – trotz verhältnismäßig wenig politischer Aufmerksamkeit und Diskussion – einen starken Klimafokus von Desinformationsaccounts, wie unsere Analyse im Daten-Center weiter unten zeigt.
  • Wie Brasilien in Reaktion auf solche Entwicklungen mit der Global Initiative for Information Integrity on Climate Change investigativen Journalismus und faktenbasierte Kommunikation zum Klimawandel fördern möchte, stellt die Deutsche Welle zusammen.

Trotz vieler besorgniserregender Trends gibt es auch ein paar Lichtblicke: Die Union of Concerned Scientists beschreibt drei hoffnungsvolle Zeichen im Kampf gegen Klimadesinformation.

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Autor:in

Foto von Hannah Schimmele

Hannah Schimmele

Projektmanagerin

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