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24. März 2025 13 Minuten

Festtage der Autokraten

Liebe Leserin, lieber Leser,

das fiskalische Husarenstück ist vollbracht.

Am Dienstag stimmte der bisherige Bundestag dem Finanzpaket von Union und SPD mit Zweidrittelmehrheit zu, am Freitag folgte der für Verfassungsänderungen zu passierende Bundesrat und am Samstag unterschrieb schließlich Bundespräsident Steinmeier das Änderungsgesetz. Mehr Tempo war selten im Regierungsviertel. Morgen tritt dann der neu gewählte Bundestag zur konstituierenden Sitzung zusammen, um die Pace an Meilensteinen nicht abreißen zu lassen.

  • Was der neue Alterspräsident Gregor Gysi sich für seine Eröffnungsrede ohne Zeitbegrenzung hat einfallen lassen, schildert er im Interview.
  • Am Ende fiel die Abstimmung zur Reform der Schuldenbremse mit 512 zu 206 Stimmen weit weniger knapp aus, als zuvor erwartet worden war. Das Abstimmungsverhalten der einzelnen Fraktionen schlüsselt Abgeordnetenwatch auf.
  • Über welche finanziellen Spielräume sich Merz nun freuen kann, analysiert die ZEIT.
  • Die Schuldenbremse wurde auch für die Länder gelockert, was die Zustimmung im Bundesrat vereinfachte. Welche Erkenntnisse die Debatte in der Länderkammer bereithielt, analysiert Corinna Emundts für die Tagesschau. Dass die Linken im Norden zugestimmt haben, sorgt nun für Ärger bei der Partei der Stunde.
  • Ärger machte auch das BSW als es die Sondersitzung im Bundestag nutzte, um sich mit einem kleinen Eklat aus dem Parlament zu verabschieden.
  • Für 333 Abgeordnete war es die vorerst letzte Sitzung. Natürlich wird so ein MdB-Exit nicht dem Zufall überlassen: Der Bundestag hat eine Checkliste für ausscheidende Parlamentarier erstellt.
  • Die logistische Herausforderung für die Sitzordnung im Bundestag zwischen Sonder- und konstituierender Sitzung schildert der Spiegel per Video.
  • Einen eigenen Bundestagsvizepräsidenten bekam die AfD bisher nicht durchs Parlament, möchte es nun aber mit dem Abgeordneten Gerold Otten probieren. Wie die Partei um Einfluss im Parlament kämpft, beschreibt der Tagesspiegel.
  • Auch die dienstälteste Vizepräsidentin verlässt das Parlament. Petra Pau zieht eine ernüchternde Bilanz.
  • Zumindest theoretisch wieder mitspielen darf die AfD beim FC Bundestag dank eines Gerichtsbeschlusses. Warum die Fußballmannschaft des Parlaments nun über eine Satzungsänderung nachdenkt, erläutert der Stern.
  • Vor Gericht kennen die Rechtsnationalen sich aus: Der Strategie der AfD, Klagen als politisches Kampfinstrument zu nutzen, widmet sich der Spiegel per Interview.

Währenddessen schreiten die Koalitionsverhandlungen voran – oder auch nicht. Bis um 17 Uhr müssen die Arbeitsgruppen fertig sein und ihre Ergebnisse an die Steuerungsgruppe schicken, die dann noch viele offene Streitfragen in den berühmten eckigen Klammern zu klären hat. Nicht nur in der Haushaltspolitik gab es davon einige, wo es sogar so heftig krachte, dass die SPD-Delegation den Raum verließ. Alle Konfliktthemen vom Ehegattensplitting übers Bürgergeld bis zu Leistungskürzungen bei Geflüchteten hat der Deutschlandfunk aufbereitet. Genügend Druck ist drauf: Der Kanzler in spe hat seine politische Karriere an das Gelingen der Verhandlungen gekoppelt.

  • Die Frauen in der Union fordern Geschlechterparität im Kabinett, wovon Merz bisher wenig hielt. Die Tagesschau über die parteiinterne Debatte.
  • Warum CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt besonders wichtig für die Verhandlungen ist, analysiert Table.Media.
  • Einfacher wären die Verhandlungen für die Union natürlich mit einen besseren Wahlergebnis gewesen. Das lag aber zumindest nicht am neuen Wahlrecht, wie die Bertelsmann Stiftung herausfand.
  • Wie der SPD-Mitgliederentscheid abläuft, hat die Tagesschau zusammengefasst. Das Quorum von 20 % wird wohl die geringste Hürde sein.
  • Welche Lobbyist:innen mitverhandeln, hat Lobbycontrol aufbereitet.
  • Ein verbotenes Selfie der anderen Art gab es dann doch, siehe Fundstück der Woche.

Weitaus einfacher wird es wohl in Hamburg zugehen: Dort haben sich SPD und Grüne drei Wochen nach der Wahl auf die Aufnahme von Koalitionsgesprächen geeinigt. Trotz guter Zusammenarbeit gibt es aber einige potenzielle Knackpunkte. Neue Termine gibt es derweil für die nächsten Landtagswahlen: In Baden-Württemberg wird am 8. März 2026 gewählt, in Rheinland-Pfalz zwei Wochen später am 22. März 2026.

Ein Jobwechsel (weitere unten im politticker) stand letzte Woche besonders im Fokus: Annalena Baerbock soll neue Präsidentin der UN-Generalversammlung werden. Dafür musste die eigentlich schon informell nominierte Diplomatin Helga Schmid zurückstecken. Das sorgte parteiübergreifend für ordentlich Kritik. Die Wahl steht im Juni an, im September beginnt die einjährige Amtszeit  – damit wird Baerbock auch ihr Bundestagsmandat niederlegen. Für sie rückt dann Andrea Lübcke, Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg, ins Parlament nach.

  • Details zum Einfluss und Gehalt in dem UN-Job kennt der Tagesspiegel.
  • Den Werdegang von Helga Schmid schildert die Berliner Morgenpost.
  • Was hinter den Kulissen geschah, weiß der Spiegel.
  • Baerbock hat derweil die deutsche Botschaft in Syrien wiedereröffnet.

In der neuen Rolle wird sie es auch weiterhin mit der Trump-Administration aufnehmen müssen. Diese schreitet weiter im Umbau der ältesten bestehenden Demokratie der Welt zu einer – mindestens – Autokratie voran. Die neuesten Coups: Die faktische Schließung des US-Bildungsministeriums, Strafmaßnahmen gegen Anwälte, die gegen Trump vorgehen, ein Machtkampf mit den Gerichten und Universitäten des Landes, die Aufhebung der Biden-Begnadigungen aufgrund des „Autopen“ und der Entzug des Secret Service-Schutzes für dessen Kinder. Und das alles in nur zwei Monaten. Nicht nur der Historiker Thomas Zimmer meint, dass man mit Blick auf Washington mittlerweile vom Schlimmsten ausgehen sollte.

  • Und die Demokraten? Zumindestens Bernie Sanders und AOC versuchen gerade in einer Protesttour gegen das System Trump zu mobilisieren.
  • Die US-Regierung ließ letzte Woche 80.000 Seiten bisher geheimer JFK-Akten veröffentlichen – und damit zugleich sensible Daten von Dutzenden US-Bürgern.
  • Und die Russen spotten schon über den mangelnden Widerstand, den Trump bei seinem Staatsumbau erlebt. Sie kennen das irgendwo her.

Auch in der Türkei spitzt sich die Lage für die Demokratie zu. Nachdem der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu unter dem Vorwand eines Korruptionsverfahrens in Untersuchungshaft kam, wurde er gestern offiziell abgesetzt – aber kurz danach von seiner Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert. Wie die CHP, Schwesterpartei der SPD, das parteiinterne Verfahren zur inoffiziellen Volksabstimmung gemacht hat, weiß der Spiegel.

  • Erdogan möchte auf diese Weise seinen gefährlichsten Konkurrenten für die Präsidentenwahl 2028 loswerden. Ein Porträt Imamoglus bei der Kleinen Zeitung.
  • Die Absichten von Erdogan erklärt Can Dündar im taz-Interview.
  • Auch in Deutschland beteiligten sich Menschen an den Vorwahlen der CHP. Wie dies vor Ort in Frankfurt aussah, schildert die Hessenschau.
  • Elon Musk mischt offenbar auch in der Türkei mit, da seine Plattform X dort regierungskritische Accounts blockiert.

Zum Abschluss noch ein Lichtblick: Der Weltglücksbericht hat wieder erfragt, wo die Menschen am glücklichsten sind. Finnland bleibt auf dem ersten Platz, Deutschland verbessert sich leicht, die USA rutschen ab. Die ganze Liste gibt es hier.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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